DR. JAN-BLEICKE EGGERS IM INTERVIEW

Photovoltaikanlagen auf Dächern sind ein vertrautes Bild. Aber auch weitere Gebäudeflächen können genutzt werden, um aus Sonnenstrahlen Strom zu produzieren. Dieser bauwerkintegrierten Photovoltaik (BIPV) widmet sich das Forschungsteam des Projekts Standard-BIPV. Ihr Ziel: den Planungs- und Bauprozess der Solaranlagen zu optimieren, indem standardisierte Komponenten die Produktionsabläufe erleichtern. Projektleiter Dr. Jan-Bleicke Eggers berichtet im Interview von den Forschungsergebnissen.

Herr Eggers, was waren die zentralen Herausforderungen im Projekt Standard-BIPV?

Wir haben ein BIPV-Fassadensystem komplett neu entwickelt – also alles bis auf die die Solarzellen, die Leistungselektronik und die Klebefolien. Dazu hatten wir eine breite Kompetenz im Projektteam vereint: von Fachleuten aus der Baukonstruktion, über den Maschinenbau bis zum Metallbau. Für mich als Projektleiter war das auch persönlich sehr spannend, genau an der Schnittstelle zwischen Bauwelt und Maschinenbaupräzision zu sein und eine Art Vermittlerrolle zu haben, um die verschiedenen Ansichten zusammenzubringen.

Eine zentrale Entwicklung des Verbundvorhabens ist das standardisierte BIPV-Fassadensystem. Was sind die Besonderheiten dieses Systems?

Unser Anspruch war, möglichst weit vorzufertigen. Insofern haben wir eine Unterkonstruktion in Form eines Rahmens entwickelt, in den die Solarmodule eingefügt werden. Bei diesem Vorgang findet simultan die mechanische und die elektrische Verbindung statt. Das ganze Konzept wird Plug&Power-Technologie genannt. Damit kann prinzipiell eine einzelne Person ein Modul montieren. Hinzu kommt, dass wir einen Teil der Solarmodule als Leichtbau-Module ausgeführt haben, die nur etwa ein Sechstel des üblichen Gewichts aufweisen. Dieser Gedanke war aus meiner Sicht sehr innovativ, führt aber gleichzeitig zu erhöhten Präzisionsanforderungen. Insgesamt hat das Projekt zu Innovationen bei den Modulen, bei der Unterkonstruktion und im elektrischen System geführt.

Welche weiteren Erkenntnisse sind aus dem Projekt hervorgegangen?

Neben dem zuvor beschriebenen konstruktiven Teil haben wir eine grundlegende Solarpotenzialanalyse durchgeführt. Das ist insofern besonders, da wir meines Wissens erstmalig deutschlandweit gebäudescharf das Solarpotenzial erhoben haben, um zu untersuchen, welche Flächen tatsächlich genutzt werden könnten. Diese Analyse ist noch nicht vollständig zu Ende geführt und wird im Nachfolgeprojekt fortgesetzt. In Kombination mit einer Verschattungsanalyse verbessern wir die Datenbasis, um noch genauer die Situation der Sonneneinstrahlung kalkulieren zu können und nutzbare Gebäudeflächen zu identifizieren.

Das Nachfolgeprojekt Standard-BIPV-System, das Sie ebenfalls leiten, knüpft direkt an die Forschungsarbeiten des Vorläufervorhabens an. Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihren Verbundpartnern in dem neuen Projekt?

Beim Projekt Standard-BIPV haben wir uns auf eine Gebäudekategorie fokussiert, nämlich auf Industriehallen, weil diese recht homogen sind. Im Nachfolgeprojekt wollen wir das breiter aufstellen, das heißt auch Wohn- und Geschäftsgebäude adressieren und dazu die anfangs genannten Aspekte weiter verstärken: Das ist die Modularisierung, sodass der Planungs- und Bauaufwand weiter verringert werden. Daneben wollen wir die Standardisierung und Vorfertigung weiter vorantreiben, um Hürden beim Einsatz und natürlich auch Kosten zu reduzieren.

Mit Blick in die Zukunft, welche Rolle messen Sie der Photovoltaik im Allgemeinen und der BIPV im Speziellen vor dem Hintergrund der Energiewende bei?

Wenn man sich das Gesamtbild anschaut, verfügen wir über eine ganze Reihe an erneuerbaren Energieträgern. Aber aus meiner Sicht stechen zwei heraus: Wind und Sonne. Das sind die beiden, die es in fast allen Teilen der Welt gibt und die durch hohe Akzeptanz in der Bevölkerung mit relativ geringen beziehungsweise überwindbaren Einwänden genutzt werden können. Photovoltaik speziell ist eine zentrale Säule für die Energiewende, da sie seit langem technisch zuverlässig ist, immer kostengünstiger wird, relativ geringe Umweltauswirkungen mit sich bringt, flächendeckend verfügbar ist und der Energieertrag auch ziemlich gut planbar ist.

Was die BIPV angeht, haben wir dort noch weitere Vorteile über die allgemeine Photovoltaik-Nutzung hinaus: Wir nutzen bauliche Strukturen weiter, die sowieso vorhanden sind. Gleichzeitig stellen wir den Strom verbrauchsnah bereit. Ebenfalls haben wir in der Regel keine Konkurrenz, wenn es um die genutzten Flächen geht. Insofern glaube ich, dass die BIPV ein wichtiges Zugpferd ist.

Was raten Sie hinsichtlich dieser Vorteile beispielsweise Architekten oder Eigentümern und Bauherren?

Grundsätzlich muss die zentrale Botschaft an alle Beteiligten sein: Wann immer die Gebäudehülle angefasst wird, egal ob energetisch saniert wird oder ob andere Arbeiten an der Fassade oder am Dach stattfinden, sollte man eine Solarnutzung erwägen – also prüfen, ob es technisch möglich und wirtschaftlich ist. Spätestens da, wo es wirtschaftlich ist, muss es eigentlich auch umgesetzt werden. Ganz einfach vor dem Hintergrund, dass jede Fassade, die saniert ist, dann erst mal wieder für 20 bis 50 Jahre sich selbst überlassen bleibt. Vor allem sollte man den Punkt bei Neubauten mitdenken, weil es dann günstiger wird, da konventionelle Bauteile eingespart werden.

Sehen Sie die Photovoltaik zunehmend auch als eine gestalterische Komponente im Bauwesen?

Die Photovoltaik hat grundsätzlich einen guten Ruf. Darauf muss man aufbauen. Ich glaube jedoch, dass es seitens Industrie und Forschung wichtig ist, sie ästhetisch und gestalterisch hochwertig einzusetzen. Das ist auch ein Punkt, an dem wir hier in der Gruppe arbeiten. Wir wollen die gestalterische Vielfalt erhöhen. Wir wollen, dass ein Architekt nicht sagt: „Ach du je, ich muss Photovoltaik nutzen.“ Man sollte die Photovoltaik, genau wie andere Oberflächenmaterialien, als gestalterisches Element sehen. Ein Gestaltungselement, das darüber hinaus gleichzeitig einen Klimaschutzeffekt und einen sinnvollen Nutzen hat. Hierbei sehe ich schon eine große Herausforderung. Wir müssen Photovoltaik im urbanen Kontext effizient und gleichzeitig ästhetisch ansprechend ausbauen. Nur dann schauen die Leute sich ihr Dorf oder ihre Stadt an und sagen: „Ich fühle mich hier weiterhin wohl.“

Das Interview führte Andreas Viehof, Wissenschaftsjournalist beim Projektträger Jülich.

Dr. Jan-Bleicke Eggers ist seit 2018 Projektleiter am Fraunhofer ISE. Für das Projekt Standard-BIPV war er bis zu dessen Abschluss 2020 zuständig. Seither leitet er das Nachfolgeprojekt Standard-BIPV-System.

Porträtfoto Dr. Jan-Bleicke Eggers
© privat

„Wir müssen Photovoltaik im urbanen Kontext effizient und gleichzeitig ästhetisch ansprechend ausbauen.“

Standard-BIPV-System

För­der­kenn­zei­chen: 03EE1061A-G

Projektlaufzeit
01.09.2020 31.08.2023 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Photovoltaik Neue Materialien und Konzepte

För­der­sum­me: 2.086.419 Euro

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