Aktuell werden Turm und Fundament, die Tragstrukturen von Windenergieanlagen, vorwiegend in Stahlbauweise hergestellt. Eine kosteneffiziente Alternative wären Bauteile aus Stahl- oder Spannbeton. Damit Windenergieanlagen Wind und Wellen sicher standhalten, gelten für Material und Konstruktion hohe Sicherheitsstandards. Dabei spielt das sogenannte Ermüdungsverhalten eine wichtige Rolle, welches aktuell für Beton nur unzureichend erforscht ist. Diese Wissenslücke möchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler innerhalb des Forschungsverbunds „WinConFat“ schließen.

Wind und Wellen belasten Turm und Gründung

Andauernde mechanische Belastung durch Wind und Wellen ermüden die einzelnen Bauteile einer Windenergieanlage. Diese Lastwechsel können beispielsweise zu Rissen im Material führen und Turm oder Fundament stark schädigen. Die Anlage muss abgeschaltet und saniert werden. Hier kommt das sogenannte Bemessungskonzept ins Spiel: Dieses garantiert verbindliche Qualitätsstandards für einzelne Komponenten und die gesamte Windenergieanlage. Konkret bedeutet dies für Windenergieanlagen eine Nutzungsdauer von 20 Jahren.

Aktuell liegen für Tragstrukturen aus Stahl- und Spannbeton keine ausreichenden Erkenntnisse für hohe Lastwechsel vor. Daher werden im Bemessungskonzept zusätzliche Sicherheiten gefordert. Das bedeutet: mehr Material für Turm und Fundament und folglich höhere Kosten. Hier setzt das Forschungsprojekt WinConFat, kurz für „Materialermüdung von On- und Offshore Windenergieanlagen aus Stahlbeton und Spannbeton unter hochzyklischer Beanspruchung“ an. Ziel ist es, die Materialeigenschaften von Beton, Betonstahl und deren Verbund zu untersuchen und zu ermitteln. Hierfür entwickeln die Projektpartner beispielsweise neue Testverfahren, die die benötigten Ergebnisse schneller liefern können als bisherige Verfahren. Mittelfristig sollen die Ergebnisse aus dem Forschungsvorhaben in deutsche und europäische Normen einfließen, damit künftig Windenergieanlagen mit Türmen und Fundamenten aus Stahlbeton oder Spannbeton wirtschaftlich errichtet und sicher betrieben werden können.

Neue Teststände und Prüfmethoden für Beton und Betonstahl

Windenergieanlagen werden durchschnittlich 20 Jahre betrieben. Während dieser Zeit durchlaufen sie bis zu einer Milliarde Lastwechsel.

Derzeit sind die Materialeigenschaften von Beton nur für Lastwechsel bis zu zwei Millionen ausreichend untersucht. Darüber hinaus wurde bisher wenig geforscht, da die Versuche sehr viel Zeit benötigen. Daher entwickeln und nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neue Versuchsaufbauten, die zum Teil weniger Prüfzeit benötigen. Trotz dieser neuen Tests muss das zu prüfende Material mitunter wochen- oder auch monatelang bearbeitet werden. Erste belastbare Erkenntnisse mit den neuentwickelten Verfahren liegen nach circa zwei bis drei Jahren vor. Mit Hilfe der gewonnenen Daten ermitteln die Projektpartner dann beispielsweise den Einfluss von Umweltbedingungen (Wassersättigung) und Belastungsfrequenzen. Darüber hinaus erwarten sie Erkenntnisse inwieweit Laborversuche auf reale Bauteile übertragen werden können.

Teil weiterer Untersuchungen sind unter anderem Tests an großformatigen vorgespannten Betonbalken. Beton verfügt über eine hohe Druckfestigkeit hat aber nur eine geringe Zugfestigkeit. Deshalb wird Beton mit hochfesten Stahlspanngliedern vorgespannt, um einwirkende Zugspannungen zu überdrücken. Erste Ergebnisse an entsprechenden Spannbetonbalken haben gezeigt, dass sich die Spannungen innerhalb der Balken von den geschädigten weicheren Außenseiten der Balken in deren Mitte umlagern. Bei Windenergieanlagen wirkt sich dieser Effekt positiv auf die Lebensdauer aus. Die ursprünglich am stärksten beanspruchten Bereiche werden entlastet.

Restnutzungsdauer von Windenergieanlagen bestimmen

Darüber hinaus untersuchen die Wissenschaftsteams, wie mit dem Ultraschall-Messverfahren und einer geeigneten Sensorapplikation und –datenauswertung der Schädigungsgrad von Beton am genauesten überwacht werden kann. Ziel ist es, Empfehlungen für geeignete Monitoring-Verfahren zu entwickeln, um den Zustands von Turm und Fundament bei bestehenden und bei neu zu errichtenden Windenergieanlagen zu erfassen. Die gewonnen Daten und Empfehlungen können Betreibern helfen, die Restnutzungsdauer genauer abzuschätzen.

Neue Konzepte für Tragstrukturen

Außerdem sollen die Erkenntnisse aus dem Forschungsverbunds dazu genutzt werden, neue Konzepte für Tragstrukturen von Windenergieanlagen aus Beton zu entwickeln. Das können beispielsweise aufgelöste Gründungsstrukturen für Offshore-Windenergieanlagen sein. Diese orientieren sich derzeit an den in Stahlbauweise ausgeführten Jacket- oder Tripodgründungen. Zudem werden schlanke, leichtere und höhere Turmstrukturen ermöglicht. So können Betreiber deutlich Kosten sparen.

Prüfungsverfahren und Normen anpassen

Abschließend sollen die ermittelten Forschungsergebnisse in Richtlinien und Merkblättern des Deutschen Ausschuss für Stahlbeton, DAfStb und des Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein, DBV einfließen. Zudem ist geplant, die Erkenntnisse in die anzuwendenden Bemessungsnormen aufzunehmen. Dieser Prozess wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen.

 

Letzte Aktualisierung: 20.07.2020

Auf einen Blick

Kurztitel: WinConFat
Förderkennzeichen: 0324016A-G
Themen: Anlagentechnik, Physikalische Faktoren
Projektkoordination: Leibniz Universität Hannover, Institut für Massivbau
Laufzeit gesamt: November 2016 bis Februar 2021

Projektsteckbrief als PDF downloaden

Quintessenz

  • Windenergieanlagen werden durch Wind und Wellen zyklisch und mechanisch belastet. Dadurch ermüdet das Material und kann im schlimmsten Fall die gesamte Anlage zerstören.
  • Neue Tragstrukturen aus Stahl- und Spannbeton bieten technische und wirtschaftliche Vorteile.
  • Die Materialeigenschaften von Beton werden auf neuen Testständen untersucht. Ziel sind Erkenntnisse für Lastwechselzahlen ab zwei Millionen.
  • Die Ergebnisse sollen langfristig in Richtlinien und Merkblättern für Beton und Bautechnik einfließen.

Kontakt

Prof. Dr. Steffen Marx
Leibniz Universität Hannover - Institut für Massivbau
Appelstraße 9a
30167 Hannover

+49 (0)511 762-3352

www.massivbau.uni-hannover.de
Prof. Dr. Ludger Lohaus

Leibniz Universität Hannover - Institut für Baustoffe
Appelstraße 9a
30167 Hannover

+49 (0)511 762-3722

www.baustoff.uni-hannover.de

Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung

www.bam.de

 

Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Karlsruhe

www.mpa.kit.edu

 

Ruhr-Universität Bochum Lehrstuhl für Baustofftechnik

www.ruhr-uni-bochum.de/baustoffe

 

RWTH Aachen, Lehrstuhl und Institut für Massivbau

www.imb.rwth-aachen.de

 

Technische Universität München, Centrum Baustoffe und Materialprüfung

www.bgu.tum.de/cbm

 

Technische Universität Dresden, Institut für Massivbau

Ergänzende Links

Technische Universität Dresden – Institut für Maschinenbau
Webseite zum Forschungsverbund

EnArgus
Forschungsvorhaben HyConCast

Downloads zum Projekt

Literaturliste zum Forschungsvorhaben

Bei EnArgus, dem zentralen Informationssystem zur Energieforschungsförderung, befindet sich unter anderem eine Datenbank mit sämtlichen Energieforschungsprojekten – darunter auch dieses Projekt.