Investoren und Netzbetreiber stellen an die Leistungsfähigkeit von Windenergieanlagen (WEA) hohe Ansprüche. Um diese zu erfüllen, sind umfangreiche Tests erforderlich. Hier gewähren Prüfstände reproduzierbare Bedingungen für Zertifizierungstests und ermöglichen somit Zeit und Geld zu sparen. Das Fraunhofer IWES hat bereits eine Reihe von Prüfständen in Betrieb genommen. Nun entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts innerhalb des Projekts Hil-GridCoP gemeinsam mit Partnern aus dem Herstellerbereich einen Prüfstand, der ausschließlich die elektrischen Eigenschaften einer WEA testen soll. Dies erleichtert die notwendigen Zertifizierungsprozesse, da nicht - wie im Freifeld - auf bestimmte Windbedingungen oder Netzzustände gewartet werden muss.


DyNaLab-Prüfstand zum Testen der elektrischen und mechanischen Eigenschaften ganzer Gondeln von Windenergieanlagen am Fraunhofer IWES

Projektkontext

Aktuell erfolgt die Zertifizierung der elektrischen Eigenschaften von WEA im Feld an Prototypen. Bei diesen Feldtests mit temporären Prüfeinrichtungen dauert eine Messkampagne 6 bis 12 Monate und verursacht hohe Kosten. Neben einem guten Windangebot sind je nach Anlagengröße hohe Anforderungen an den Netzanschluss erforderlich. Feldversuche haben einen großen Nachteil. Sie sind praktisch nicht reproduzierbar, da es kaum realistisch ist, dass bei mehreren Testdurchläufen die exakt gleichen Wind- und Netzverhältnisse vorliegen. Außerdem erlaubt das System nicht, sämtliche Eigenschaften von WEA detailliert zu vermessen.

Um diese Situation zu ändern und die Prüfung der elektrischen Eigenschaften von WEA auf Prüfständen in der Windindustrie zu etablieren, kooperieren das Fraunhofer IWES sowie die Anlagenhersteller Nordex, Senvion und Vestas. Sie bauen ihre WEA nach dem gleichen Konzept von schnelllaufenden Generatoren. Der Prüfstand soll für den Test von Systemen mit hohen Generatordrehzahlen (1.200 bis 1.800 Umdrehungen pro Minute) bis zu einer Leistung von circa 7 Megawatt mit zwei- bis dreistufigen Getrieben einsetzbar sein.

Forschungsfokus

Innerhalb des Forschungsvorhabens Hil-GridCoP – Prüfung der elektrischen Netzverträglichkeit von Multi-Megawatt WEA mit schnelllaufenden Generatoren - entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine neue Methode, die ausschließlichen die elektrischen Eigenschaften einer WEA untersucht. Sie koppeln virtualisierte, mechanische und elektrische Tests in einem Systemtest, so dass ein netzkonformer Betrieb der WEA mit dem originalen Turbinenregler möglich ist.

Zentrales Ziel des Vorhabens ist es, die elektrischen Eigenschaften auf einem Prüfstand zu bewerten. Die Arbeiten des Fraunhofer IWES umfassen das Konzept, den Aufbau und den Betrieb des Teststands sowie die Durchführung der Tests. Außerdem sind die fehlenden physikalischen Komponenten und die Prüfverfahren zu entwickeln.

Im Gegensatz zu anderen Projekten fokussiert das Forschungsvorhaben auf Testmethoden im Maßstab 1:1. Hierfür führen die Projektpartner Messkampagnen im Feld durch. Der Prüfstand verfügt über eine nominale Leistung von 9 Megawatt, eine Blindleistung sowie eine installierte Leistung des Umrichters der Antriebsmaschine von 27 Megavoltampere. Die Tests im Maßstab 1:1 führen wegen der Größe der Anlage zu besonderen technischen Herausforderungen. Hier können die Forschenden auf Lösungen und Erfahrungen mit dem Prüfstand DyNaLab (Dynamic Nacelle Testing Laboratory) zurückgreifen.

Das neue Prüfverfahren bietet eine schnelle und kostengünstige Durchführung von Versuchen, um die elektrischen Eigenschaften von WEA nachzuweisen. Die Anforderungen an die Zugangsregelungen zum Übertragungsnetz (kurz Grid-Code) werden sich auch künftig verschärfen, so dass einige Eigenschaften von WEA im Feld nicht nachweisbar sein werden. Damit erhalten zukünftig Testverfahren für die elektrischen Eigenschaften auf Prüfständen eine noch höhere Relevanz.

Innovation

Die Nachbildung realitätsnaher Bedingungen erfolgt über eine aktive Regelung. Beispielsweise hat die Impedanz große Auswirkungen auf das Testergebnis. Auf der mechanischen Seite ist es erforderlich, die Eigenfrequenzen des Teststands zu unterdrücken und die Eigenfrequenzen der WEA im Feld zu simulieren.

Ergebnisse

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fertigten den Teststand, der ausschließlich die elektrischen Eigenschaften einer WEA prüfen soll, als Ergänzung zu dem bestehenden Gondelprüfstand DyNaLab. So konnten sie die neuen Regelungsverfahren für den Betrieb des Prüfstands im DyNaLab erproben. Der neue Prüfstand nutz das künstliche Netz des Gondelprüfstands, um verschiedene Netzzustände nachzubilden. Die erforderliche Toolkette, um die virtuellen Windturbinen zu erstellen, steht bereits zur Verfügung.

Praxistransfer

Die neuen Prüfmethoden, die auf Ergebnissen des Projekts Hil-GridCoP beruhen, führen dazu, dass die erforderlichen Prozesse für die Zertifizierung der elektrischen Eigenschaften der WEA teilautomatisiert ablaufen. Diese Tests sind durch nationale und internationale Richtlinien definiert. Noch basiert die Testmethodik auf Feldtests, die künftig 1:1 auf die Prüfstände transferiert werden sollen. Die Forschenden des Fraunhofer IWES streben an, die neuen Testverfahren in die nationale und internationale Norm einzubringen. Anschließend ist eine kommerzielle Nutzung des Prüfstands durch europäische Windenergieanlagenhersteller möglich.

 

Letzte Aktualisierung: 01.08.2019

Auf einen Blick

Kurztitel: Hil-GridCoP
Förderkennzeichen: 0324170A-D
Themen: Windenergie, Anlagentechnik
Projektkoordination: Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES - Standort Bremerhaven
Laufzeit gesamt: Juli 2017 bis August 2021

Projektsteckbrief als PDF downloaden

Quintessenz

  • Der Gondelprüfstand DyNaLab testet die elektrischen und mechanischen Eigenschaften ganzer Gondeln von Windenergieanlagen.
  • Der neue und kleinere Prüfstand Hil-GridCoP untersucht ausschließlich die elektrischen Eigenschaften von Windenergieanlagen und bildet realitätsnahe Bedingungen ab.
  • Dieses neue Verfahren spart Zeit und Kosten und erleichtert wichtige Zertifizierungsprozesse.
  • Der entwickelte Prüfstand nutzt das künstliche Netz des Gondelprüfstands DyNaLab, um Netzzustände und dynamische Netzevents nachzubilden.
  • Damit lässt sich reproduzierbar das Zusammenspiel zwischen Windenergieanlage und Übertragungsnetz unter kontrollierten Bedingungen untersuchen.

Kontakt

Torben Jersch
Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES
Am Seedeich 45
27572 Bremerhaven

+49(0)4711-4290408

www.iwes.fraunhofer.de

Nordex Energy GmbH

http://nordex-online.de

 

Senvion GmbH

http://senvion.de

 

Vestas Nacelles Deutschland GmbH

http://vestas.de

Ergänzender Link

Fraunhofer IWES
Zertifizierung der elektrischen Eigenschaften

FVA-Gondel im Center for Wind Power Drives (CWD) der RWTH Aachen
© CWD RWTH Aachen

Windenergie
Gemeinsam an einem (Antriebs-) Strang

Eine „gläserne“ Windenergieanlagen-Gondel mit rund 300 eingebauten Sensoren stand beim Forschungsprojekt „FVA-Gondel“ im Fokus.

mehr
Der hochinnovative Großlagerprüfstand für Offshore-Windenergieanlagen.
© Jan Brandes

Windenergie
Prüfstand für Rotorblätter von Windenergieanlagen

Das Fraunhofer IWES hat einen Prüfstand für Rotorblattlager mit bis zu 6,5 Metern Durchmesser erfolgreich in Betrieb genommen.

mehr
Bei EnArgus, dem zentralen Informationssystem zur Energieforschungsförderung, befindet sich unter anderem eine Datenbank mit sämtlichen Energieforschungsprojekten – darunter auch dieses Projekt.