28. Januar 2022

Das Forschungsteam des Verbundvorhabens ZoKrateS macht die Energie heißer Gesteinsschichten durch hydraulische Stimulation zugänglich. Es ist ein Projekt mit Demonstrationscharakter und dem Ziel, den Standort Geretsried in Bayern für die Geothermie zu erschließen.

In der Region München wird seit vielen Jahren erfolgreich geothermisch Energie gewonnen. Hierbei wird üblicherweise auf sogenannte hydrothermale, das heißt natürliche Thermalwasser-Lagerstätten im tiefen Untergrund zurückgegriffen. Aus ihnen kann das heiße Wasser leicht einer Bohrung zufließen. Vielfach ist jedoch im tiefen Untergrund das Gebirge wenig durchlässig, sodass das heiße Thermalwasser der Bohrung nicht zuströmen kann. In solchen petrothermalen Lagerstätten können durch eine gezielte Stimulation die existenten, aber wenig wasserwegsamen Klüfte für das Thermalwasser durchlässig gemacht werden. Im Projekt ZoKrateS hat das Forschungsteam nun erstmals am südlich von München gelegenen Standort Geretsried in einer vorhandenen Bohrung demonstriert, dass das Gebirge durch das Verfahren für die Geothermie in dem typischen Lagerstättengestein technisch erschließbar ist.

Geretsried verfügt über heißes Gebirge von etwa 160 Grad Celsius in einer Tiefe von etwa 4,5 Kilometern. Allerdings sind die vorhandenen Klüfte überwiegend geschlossen. Daher ist der Standort für die hydrothermale Geothermie nicht geeignet. Er zeigt allerdings aufgrund der geologischen Gegebenheiten ein deutliches Potenzial, um petrothermal genutzt werden zu können.

Hydraulische Stimulation der Bohrung Geretsried

Bereits 2017 wurde eine Bohrung erstellt. Ziel waren die heißen Wässer in den Kalksteinschichten des Malms (geologische Bezeichnung für die erdgeschichtliche Epoche der Oberjura), welche am Standort Geretsried in 4,4 bis 4,8 Kilometern Tiefe liegen. Von Juli bis Oktober 2021 haben die Projektpartner erstmalig in Deutschland eine hydraulische Stimulation an einer tiefen Geothermiebohrung in den Kalkgesteinen des Malms durchgeführt. Hierbei haben sie in mehreren Zonen spezielle Keramikkügelchen, sogenannte Stützmittel, tief in das bestehende Kluftnetzwerk eingebracht. So konnte das Forschungsteam die natürlichen Fließwege zur Bohrung weiten und für eine Zirkulation des Thermalwassers öffnen. Um das anspruchsvolle Projekt mit umfangreichen Vorarbeiten zu planen und umzusetzen, haben Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Industrie interdisziplinär zusammengearbeitet.

Die Forscherinnen und Forscher werten die Injektionsversuche derzeit weiter aus. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass durch das Verfahren eine signifikante Erhöhung der Gebirgsdurchlässigkeit erreicht werden konnte. Das Projektteam konnte die Stützmittel bei sehr niedrigen Drücken injizieren und einspülen, sodass diese nur geringfügig über den in der Lagerstätte herrschenden Wasserdrücken lagen. Es war nicht notwendig, die wirkende Gebirgsauflast zu überschreiten, um die Keramikkügelchen in die Klüfte zu transportieren, damit diese offen bleiben können.

Potenzial für die petrothermale Nutzung

Wenn die Forschenden die ersten Ergebnisse bestätigen, eröffnet sich die Möglichkeit einer petrothermalen Nutzung am Standort Geretsried. Um die im heißen, dichten Gebirge gespeicherte Energie zu nutzen, würde mittels des getesteten Verfahrens ein großer Wärmetauscher zwischen zwei Bohrlöchern geschaffen. Dazu wird Wasser durch eine Bohrung in das Gebirge eingepresst. Es fließt durch die miteinander verbundenen sowie mittels der Stützmittel geöffneten Klüfte zur zweiten Bohrung und wird dabei erwärmt. Das heiße Wasser kann dann in einem Kraftwerk genutzt und anschließend abgekühlt wieder in die erste Bohrung eingeleitet werden. So würde ein geschlossener Kreislauf ermöglicht, über den geothermische Energie erzeugt wird.

Das Projektteam hat mit der hydraulischen Stimulation der Bohrung Geretsried demonstriert, wie der Eintrag von Stützmitteln als technische Grundvoraussetzung für eine zukünftige petrothermale Nutzung erfolgreich gelingt. Darüber hinaus hat der Forschungsverbund wichtige Erfahrungen im Umgang mit dieser Technologie gesammelt, um sie künftig auf andere Standorte in Deutschland übertragen zu können. Das Projekt stellt einen wichtigen Meilenstein für die Geothermie in Deutschland dar. Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. (av)

ZoKrateS

För­der­kenn­zei­chen: 03EE4010A-E

Projektlaufzeit
01.01.2020 30.09.2022 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Geothermie

För­der­sum­me: 10.099.729 Euro

Kontakt

Prof. Dr. Tobias Backers
Ruhr Universität Bochum (RUB)
Arbeitsgruppe Ingenieurgeologie und Felsmechanik
Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik

+49 234 32 23881

www.gmg.ruhr-uni-bochum.de/ingenieurgeologie-felsmechanik

Leibniz-Institut für Angewandte Geowissenschaften (LIAG)
www.leibniz-liag.de

Enex Geothermieprojekt Geretsried Nord
www.aic-hoermann-energie.de/geothermie/

G.E.O.S. Ingenieurgesellschaft
www.geosfreiberg.de

Geothermie Neubrandenburg
www.gtn-online.de

Petrothermale Geothermie

Petrothermale Geothermie nutzt Erdwärme in Tiefen von etwa drei bis sechs Kilometern. Sie unterscheidet sich von hydrothermaler Geothermie darin, dass an diesen Stellen kein natürlich vorhandener Wasserdampf oder Thermalwasser zur Energieerzeugung genutzt werden kann. Im Gegenzug greift petrothermale Geothermie auf die natürliche Wärme zurück, die das heiße, trockene Gestein in dieser Tiefe vorweist – die eingesetzten Verfahren werden aufgrund dessen als „Hot-Dry-Rock-Verfahren“ bezeichnet. Hierbei wird beispielsweise in Klüfte (Trennflächen im Gestein) Wasser gepresst. Im etwa 200 Grad Celsius heißen Gestein erhitzt sich das Wasser und wird anschließend durch eine Förderbohrung wieder an die Oberfläche gepumpt. Dort kann es, analog zur hydrothermalen Geothermie, über Wärmetauscher für die Wärmeversorgung und mit einer Turbine ebenfalls für die Stromerzeugung genutzt werden.

95 Prozent der Geothermie-Reserven in Deutschland werden der Hot-Dry-Rock-Nutzung zugeordnet. Lediglich 5 Prozent entfallen auf hydrothermale Geothermie.