DR.-ING. CHRISTIAN ODENTHAL IM INTERVIEW

Runter mit den Kosten bei Flüssigsalzspeichern – das ist das übergeordnete Ziel im europäischen Forschungsprojekt Newcline. Konkret arbeitet das Wissenschaftsteam aus drei Ländern an einem neuartigen Eintank-Konzept. Hierbei wird das heiße und kalte Flüssigsalz zusammen in einem Tank gespeichert. Außerdem befindet sich im Tank wärmespeicherndes Füllmaterial. Was diese Lösung mit einem Latte Macchiato gemein hat und welche Arbeitspakete in Newcline anstehen, erklärt Projektleiter Christian Odenthal.

Herr  Odenthal, was sind die Vorteile des Eintank-Konzepts mit wärmespeichernden Steinen?

Erst einmal sparen Sie ganz einfach die Kosten für den zweiten Tank und auch den Platz dafür. Aber es gibt weitere Vorteile: etwa die Kosten für das Flüssigsalz. Diese können bis zu 50 Prozent der gesamten Investitionskosten eines Speichersystems ausmachen. Wenn Sie das Salz für das Speichern durch einen kostengünstigen Füllstoff ersetzen — wir nehmen hier Formsteine — kostet es nur einen Bruchteil, da Sie viel weniger Salz für den Speicherbetrieb benötigen. Je mehr Füllstoffe Sie in den Tank packen können, desto günstiger wird es. Ein weiterer Vorteil: Bei den Tanks ist unten immer ein etwa 60 Zentimeter hoher Salzsumpf notwendig. Dieser reduziert die aktiv genutzte Tankfüllung. Bei zwei Tanks haben sie das doppelte Volumen von nicht genutztem Tankraum.

Und wie lässt sich das Speichern in nur einem Tank umsetzen? Die meisten solarthermischen Kraftwerke nutzen doch zwei.

Das stimmt. Bisher wird das Salz in der Regel aus dem kühleren Tank zum Solarreceiver gepumpt, dort auf über 500 Grad erhitzt und im „heißen“ Tank gespeichert. Ein zweiter Kreislauf entnimmt dort das heiße Salz für die bedarfsgerechte Stromproduktion in der Dampfturbine. Doch es geht auch alles in einem Tank. Vom Prinzip verhält sich das unterschiedlich temperierte Flüssigsalz dort wie die Milch und der heiße Espresso in einem Latte-Macchiato-Glas. Bei einem Latte Macchiato hat man unten die warme Milch und oben den heißen Kaffee. Weil der heiße Kaffee eine geringere Dichte hat, bleibt er obenauf und vermischt sich nicht mit der kälteren Milch. Genauso hat das heiße Salz oben eine geringere Dichte als das kalte Salz unten. Der Dichteunterschied beträgt etwa 10 Prozent.

An welchen Füllmaterialien wird im Newcline-Projekt konkret geforscht?

Wir arbeiten derzeit mit unserem deutschen Partner Kraftblock an Formsteinen aus sensiblem Speichermaterial. In einem späteren Arbeitspaket wollen wir zusätzlich mit Latentwärmespeichermaterialien experimentieren. Hierfür kommt einer unserer europäischen Partner mit ins Boot, die Universitat Politècnica de Catalunya aus Barcelona. Latentwärmespeichermaterialien können die Austrittstemperatur des Salzes im Speicher stabilisieren. Wir überlegen, diese zu verkapseln und oberhalb der Formsteine zu positionieren.

Was haben Sie bisher schon erreicht?

Die Materialentwicklung für die Füllkörper ist abgeschlossen und auch eine geeignete geometrische Form identifiziert. Wir haben uns für eine Wabengeometrie entschieden. Die Füllkörper lassen sich in dieser Form optimal in die runden Körbe im runden Tank einfügen.

Was läuft aktuell an Forschungsarbeiten?

In Barcelona werden die Füllkörper demnächst im Ofen in einem Versuch getestet. Die zentrale Frage ist, ob die Füllkörper auch bei hohen Temperaturen ausreichend stabil bleiben. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass sich keine nennenswerten Materialbestandteile aus dem Füllkörper im Salz auflösen. Außerdem errechnen wir im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gerade mit einer Simulationssoftware, wie der Speicher großmaßstäblich ausgelegt werden soll. Mit dem digitalen Tool kann man parallel viele unterschiedliche Konfigurationen durchrechnen und damit ein sogenanntes Pareto-Optimum finden.

Was ist ein Pareto-Optimum beim Speicher?

Das ist ein Zustand, bei dem die verschiedenen Parameter der Speicherauslegung in der bestmöglichen Balance sind. Es gibt hierfür nämlich nicht die eine optimale Auslegung. Ähnlich wie bei Motoren: Diese haben eine tolle Leistung, dafür aber einen hohen Spritverbrauch und umgekehrt. Bei unseren Füllkörpern wäre es am besten, wenn sie viele winzig kleine Kanäle hätten, damit sie eine möglichst große Oberfläche haben, mit der sie die Wärme übertragen. Technisch ist das so aber nicht machbar. Die Füllkörper müssen ja mechanisch fest genug sein. Hier wiederum gilt es, die große Oberfläche zu bedenken, wo das Salz am Stein reagieren kann. Das Simulationstool findet die Parameter, die thermodynamisch am besten sind.

Welche Arbeitsschritte stehen beim DLR noch an, bevor die Tests in der TESIS-Versuchsanlage in Köln starten?

Wir müssen noch Anpassungen an den drei Körben vornehmen, die in den sechs Meter hohen Tank übereinandergestellt werden sollen. Bei früheren Forschungsprojekten hat sich gezeigt, dass es an den Rändern der Körbe zur sogenannten Bypass-Strömung gekommen ist. Das Salz soll ja durch die Körbe fließen. Aber rund 25 Prozent der Strömung hat bisher den Weg zwischen dem Tankrand und den Körben genommen. Hintergrund ist, dass hier bei der bisherigen Konstruktion ein freier Raum, unter anderem durch die Befestigung der Körbe und Hebe-Laschen, besteht. Das müssen wir angehen. Die Körbe dürfen keine Randströmung mehr haben.

Ist das in Newcline verfolgte Speicherkonzept nur für solarthermische Kraftwerke interessant?

Nein, dafür sind weitere Anwendungen denkbar. Im Bereich der konventionellen fossilen Kraftwerke bieten Hochtemperaturspeicher beispielsweise das Potenzial, diese zu flexibilisieren oder zu Wärmespeicherkraftwerken umzurüsten. Ein weiteres Einsatzgebiet sind energieintensive Industrieprozesse. Wir beim DLR forschen gerade ganz konkret in einem anderen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Forschungsprojekt namens TransTES-Chem  daran, einen Flüssigsalzspeicher in einem Chemiepark zu integrieren.

Das Interview führte Ilse Trautwein, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.

 

Dr.-Ing. Christian Odenthal hat an der RWTH Aachen und University of Bath Maschinenbau, mit Vertiefung im Bereich Energietechnik studiert. Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart promovierte er über ein Wärmespeichersystem für solarthermische Kraftwerke. Aktuell arbeitet er am DLR in Köln und leitet das Projekt Newcline und weitere Projekte.

Porträtfoto Christian Odenthal
© Christian Odenthal

„Hochtemperaturwärmespeicher helfen, von Erdgas und Erdöl unabhängig zu werden.“

Das Foto zeigt die Tesis-Versuchsanlage in Köln.
© DLR

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Kontakt

Dr.-Ing. Christian Odenthal

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR)
Institut für Technische Thermodynamik


Institut für Technische Thermodynamik des DLR