20. Juni 2022

Die ersten großen Offshore-Windparks in Deutschland haben bald ihr Lebensende erreicht. Wie sie nachhaltig zurückgebaut und recycelt werden können, steht in dem jetzt veröffentlichten Handbuch aus dem Forschungsprojekt SeeOff. Das Prinzip scheint schon einmal einfach zu sein.

„Im Prinzip funktioniert der Rückbau wie die Installation, nur rückwärts“, fasst Professorin Silke Eckardt von der Hochschule Bremen das Basisszenario zusammen, das in dem Handbuch geschildert wird. „Das Ziel unseres Projektes war, die beteiligten Organisationen bei der Planung und Auswahl geeigneter Rückbaustrategien zu unterstützen“, erklärt die Projektleiterin weiter. Schritt für Schritt wird das Fachpublikum darin vom Rückbau des kompletten Offshore-Windparks auf See bis hin zum Entsorgen einzelner Bestandteile und Materialien an Land geführt. Neben der Beschreibung von Anforderungen, Technik und Ressourcen ist das Kernstück des Handbuchs die Bewertung unterschiedlicher Rückbaustrategien. Diese werden hinsichtlich ihrer Kosten, Treibhausgasemissionen, Ressourceneffizienz, Auswirkungen auf die Meeresumwelt sowie der Arbeitssicherheit bewertet. Die Nutzerinnen und Nutzer können somit Rückschlüsse auf das jeweils nachhaltigste Vorgehen ziehen. 

Die Grundlage bildet ein Basisszenario, von dem an verschiedenen Punkten abgewichen werden kann. Insgesamt gibt es neun Alternativszenarien mit unterschiedlicher Demontagetechnik, Logistik oder Umfang des Rückbaus. So wird im Basisszenario zum Beispiel der Gründungspfahl einen Meter unter der Meeresoberfläche per Wasserstrahl abgeschnitten. Eine Alternative könnte es sein, den Pfahl aus dem Meeresboden heraus zu rütteln, mit Vibration. In dem Fall würde er komplett entfernt. Ebenfalls werden Szenarien beschrieben, die einen Teil der weiteren Komponenten im Meer belassen würden. Dabei könnte es sich beispielsweise um Steine handeln, die zum Schutz vor Auskolkung um die Fundamente gelegt wurden. 

Punktesystem gibt Überblick über Rückbau-Szenarien

Die Projektpartner haben die einzelnen Entscheidungskriterien wie etwa Kosten oder Treibhausgasemissionen für alle Szenarien berechnet und mittels einer Umfrage zueinander gewichtet. Auf dieser Grundlage konnten sie den Gesamtnutzwert jedes Szenarios berechnen und sie in eine Reihenfolge bringen – das Szenario mit dem verbleibenden Kolkschutz kommt dabei zum Beispiel auf den zweiten Platz. Punkten kann dieses Vorgehen bei den Kriterien Kosten, Treibhausgasemissionen und auch beim Artenreichtum: Tiere, die sich in den Steinen angesiedelt haben, werden nicht vertrieben. Schlecht schneidet hingegen ein Szenario ab, bei dem durch ein Feeder-Konzept mehrere große Schiffe zum Einsatz kommen. Hierbei bringen sogenannte Feeder-Schiffe die abgebauten Komponenten vom Windpark zum Hafen, ein Errichterschiff bleibt währenddessen im Windpark zurück. Das Konzept verursacht jedoch hohe Kosten und Treibhausgase. Zudem fällt die Rückbauzeit dabei nicht merklich geringer aus als beim Basisszenario. Auch entsteht bei diesem Szenario in Fragen der Arbeitssicherheit ein vergleichsweise hohes Gefährdungsmaß durch die Lade- und Versatztätigkeiten auf See.

Referenz ist ein typischer Offshore-Windpark in der Nordsee

„Noch sind die Empfehlungen das Ergebnis einer rein theoretischen Analyse“, so Professorin Eckardt. In der deutschen Nord- und Ostsee ist bisher noch kein Windpark abgebaut worden. Als Referenz für die Empfehlungen dient ein typischer Offshore-Windpark: „Wir haben uns dabei an den Anlagen in der Nordsee orientiert, die zuerst zurückgebaut werden müssen“, erklärt Silke Eckardt, „zum Beispiel 3,6-Megawatt-Anlagen von Siemens.“

Die Projektleiterin des Verbundprojekts SeeOff hat in den vergangenen drei Jahren eine deutliche Zunahme des Interesses am Rückbau von Offshore-Windparks festgestellt. Windparkbetreiber, Logistikbranche und auch Häfen stellen sich zunehmend auf diese Aufgabe ein. Bei SeeOff haben Windenergieunternehmen und Energieversorger Hand in Hand gearbeitet, unterstützt von einem Projektbeirat. Silke Eckardt freut sich über die „breite Unterstützung der Offshore-Windpark-Branche“, ohne die das Vorhaben nicht so erfolgreich gewesen wäre. (mb)

SeeOff

För­der­kenn­zei­chen: 0324322A-D

Projektlaufzeit
01.11.2018 30.04.2022 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Windenergie Offshore-Aspekte

För­der­sum­me: 1.127.207 Euro