Im Stromnetz der Zukunft mit einem hohen Anteil an Wind- und Solarenergie wird es erforderlich, Angebotsschwankungen auszugleichen. Hierzu kann eine bedarfsgerechte Erzeugung von Strom aus Biogas beitragen.
Forscherteams entwickeln neue Systeme und Software für Biogasanlagen, mit denen eine flexible Fahrweise möglich wird. Sie überwachen und regeln damit die Biogasproduktion und Verstromung. Ziel ist, diese Prozesse genau aufeinander abzustimmen und Speicherkapazitäten optimal auszuschöpfen.

Biogasanlage zur Strom- und Wärmeerzeugung

Projektkontext

Die flexible Erzeugung von Strom aus Biogas stellt in der zukünftigen Energieversorgung einen wichtigen Baustein zum Ausgleich fluktuierender Energiequellen dar. Direkt am Standort von Biogasanlagen ist es möglich, Gasproduktion und -konversion über entsprechende Speicherkapazitäten und Steuerung der Biogaserzeugung zu entkoppeln. Ein integriertes Gasmanagement, welches die vorhandene Speicherkapazität bestmöglich nutzt, kann einen erheblichen Beitrag dazu leisten, Systemdienstleistungen zu verbessern und Emissionen bzw. Fackelverluste zu vermeiden.

Das geplante Vorhaben soll die Systeme zur Gasspeicherung - insbesondere der Speicherfüllstandsmessung technisch verbessern und in das Prozessleitsystem der Biogasanlage einbinden, um diese für wachsende energiewirtschaftliche Anforderungsprofile zu ertüchtigen. Die weiterentwickelten Systeme können zudem perspektivisch an einer Vielzahl von bestehenden Biogasanlagen mit unterschiedlichen Gasspeichersystemen umgesetzt werden und somit auch dazu beitragen, betriebsbedingte Emissionen in erheblichen Umfang zu reduzieren.

Gasverluste minimieren

Bei Biogasanlagen in Deutschland werden hauptsächlich zweischalige Membrangasspeicher eingesetzt. Sie haben einen Anteil von etwa 62 Prozent am Gesamtbestand, so die DBFZ-Betreiberbefragung 2016. Diese Gasspeicher in integrierter Ausführung sitzen direkt auf dem Fermenter. Die Forscherteams konzentrierten sich bei ihren Untersuchungen auf diese weitverbreiteten Speicher, die auch im Verbund gut nutzbar sind.

Liegen ungeeignete Innendruckverhältnisse bei dem Betrieb mehrerer Gasspeicher im Verbund vor, wird die Nettogasspeicherkapazität nicht vollständig ausgenutzt, der Speicher füllt sich nicht ausreichend. Deshalb ist es ratsam, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Gasspeicherinnendruck anpassen zu können, beispielsweise durch regelbare Stützluftgebläse.

Für den Betrieb bieten möglichst kurze Leitungen mit möglichst großem Querschnitt und wenigen Bögen ideale Bedingungen. Wenn mehrere Speicher gefüllt werden sollen und eine Rohrleitungsperipherie mit hohen Druckverlusten vorliegt, kann es erforderlich sein, einen Gasverdichter zwischenzuschalten

Ziel des Gasmanagements ist es, Biogasverluste und -emissionen zu vermeiden sowie ein möglichst großes Volumen des Speichers als Puffer zwischen Gasproduktion und -verwertung nutzbar zu machen. Bereits mit einem angepassten Betrieb lassen sich ohne Zusatzkomponenten Biogasverluste aus der Über- / Unterdrucksicherung (ÜUDS) von Gasspeichern vermeiden. So sollte der Gasspeicher im Normalbetrieb bei circa 50 Prozent Füllstand betrieben werden und beispielsweise vor Sonnenaufgang nicht technisch voll sein. Die vorhandene Speicherkapazität wird durch technische Verbesserungen der Anlage optimal verfügbar, beispielsweise durch Einbindung von durch Messtechnik frequenzgeregelten Stützluftgebläsen. Eine weitere Verfeinerung ermöglicht ein Modell, mit dem der Füllstand der Gasspeicher präzise prognostiziert und somit vorausschauend geregelt werden kann.

 

Aufbau eines Rührkessel-Fermenters mit integriertem pneumatisch vorgespanntem zweischaligem Membranspeicherdach.
© DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum

Aufbau eines Rührkessel-Fermenters mit integriertem pneumatisch vorgespanntem zweischaligem Membranspeicherdach. Das verfügbare Gasvolumen befindet sich zwischen dem Gurthaltesystem (3) und der Gasspeicherinnenmembran (2).

Forschungsfokus

Im Forschungsprojekt „ManBio“ arbeiteten Forscherteams daran, Systeme technisch zu verbessern, mit denen der Füllstand des Speichers gemessen werden kann. Diese integrierten sie in das Prozessleitsystem der Biogasanlage. Im ersten Schritt sammelten sie umfangreiche Daten zum technischen Stand von Gasspeicher- und Füllstands-Messsystemen. Zusätzlich erfassten sie Prozessdaten wie Gasproduktionsrate, Gasverbrauch, Temperatur und Luftdruck. Diese Daten nutzten sie dazu, das Verhalten der Prozesskette von Gasproduktion, Gasspeicher-kapazitäten, Speicherfüllstände und Verbrauchsrate besser vorhersagen zu können.

Auf dieser Grundlage wird ein Modell des Speichers entwickelt und daraus ein Prognosemodell für den Füllstand bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen. Dieses kann aktuelle Wetterdaten und Gasspeicher-Innentemperaturen nutzen. Für die exaktere Messung des Füllstands modifizierten sie ein Seilzugverfahren und setzten parallel dazu zwei hydrostatische Druckmessverfahren ein. Diese Verfahren testeten sie an der Forschungsbiogasanlage des DBFZ und einer weiteren Biogasanlage, die der Praxispartner betreute.

Ergebnisse

Die Forscherteams identifizierten mögliche Fehler und zeigten, wie diese zu vermeiden sind. Für den praktischen Anlagenbetrieb erarbeiteten sie Handlungsempfehlungen. Die wichtigsten Aspekte fassten sie in drei Empfehlungen zusammen:

  • Das Verfahren zur präzisen Messung des Füllstands muss zum jeweiligen Speichertyp passen. Für einen pneumatisch vorgespannten, zweischaligen Membrangasspeicher mit Stützluftgebläse und Stauklappen eignet sich die Erfassung der Ausformung der Gasspeicherinnenmembran mittels Seilzugverfahren oder hydrostatischem Druckmessverfahren mittels Schlauchwaage. Da in diesen Speichern der Innendruck über den gesamten Füllstandbereich konstant bleibt, ist eine in der Praxis mitunter angewandte Messung über den Gasspeicherinnendruck nicht geeignet.
  • Das Gasspeichersystem muss im Normalbetrieb unvermeidliche Füllstands-Schwankungen ausgleichen können, die beispielsweise durch Witterungsereignisse, Fütterungsschwankungen oder den Ausfall von Komponenten wie dem BHKW auftreten. Über- und Unterdruckereignisse sind zu vermeiden. Das kann über einen füllstandgesteuerten Betrieb eines sekundären Gasverbrauchers, beispielsweise Notfackel, erreicht werden. Treten Überdruckereignisse auf, muss die Ursache gefunden und beseitigt werden, um unerwünschte Emissionen abzustellen.
  • Für die bedarfsgerechte Bereitstellung von Rohbiogas steigen die Anforderungen an das Speichersystem: Das Speichervolumen sollte vollständig verfügbar sein. Um die Nettogasspeicherkapazität optimal zu nutzen, muss bei Kopplung mehrerer Speicher ein kontrollierbarer Rohbiogasaustausch zwischen den Speichern und den Konversionsaggregaten sichergestellt werden. Die Kontrolle ist dadurch möglich, dass alle Innendrücke der eingebundenen Gasspeicher gemessen und aktiv beispielsweise über regelbare Stützluftgebläse eingestellt werden.

Prognosemodelle für flexiblen Betrieb

Ein vom Partner Awite entwickeltes Fuzzy-Logik-Expertensystem deckt nun auch das Gas- und BHKW-Management ab. Die Forscher planen, dieses System zu einer Gesamtanlagenregelung auszubauen. Das Prognosemodell nutzt aktuelle Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes. Damit wird auch eine flexiblere Fütterung möglich, das System reduziert dann beispielsweise bei höheren Temperaturen den Substrateintrag.

Für die Forschungsarbeit zur Verbesserung des Gasmanagements in Biogasanlagen erhielt Mathias Stur, Projektleiter am DBFZ, im Jahr 2017 den Biogas-Innovationspreis der Deutschen Landwirtschaft.

 

Letzte Aktualisierung: 01.07.2018

Auf einen Blick

Kurztitel:
ManBio
Förderkennzeichen:
03KB094A, B
Themen:
Systemintegration
Projektkoordination:
DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH
Laufzeit gesamt:
September 2014 bis Februar 2017
Projektsteckbrief als PDF downloaden

Quintessenz

  • Flexibilisierung der Stromproduktion aus Biogas bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung
  • Forscherteams entwickeln ein Speichermodell und daraus ein Prognosemodell für den Füllstand bei unterschiedlicher Witterung
  • Biogasproduktion und Verstromung lässt sich mit neuen Systemen zum Gasspeichermanagement exakt überwachen und regeln
  • Handlungsempfehlungen für den Anlagenbetrieb

Kontakt

Mathias Stur
DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH
Torgauer Straße 116
04347 Leipzig
+49(0)341 2434-527

www.dbfz.de
Dr.-Ing. Ernst Murnleitner
Awite Bioenergie GmbH
Grünseiboldsdorfer Weg 5
85416 Langenbach
+49(0)8761-72162-18

www.awite.de

Ergänzender Link

Portal Energetische Biomassenutzung

Förderprogramm

Seit 2017 untersuchen 15 Forschungsprojekte flexibel und sektorenübergreifend arbeitende Bioenergieanlagen. Das BMWK stellte dafür 6 Millionen Euro im Rahmen des Förderprogramms „Energetische Biomassenutzung“ zur Verfügung. Ein Fokus der Forschungsvorhaben liegt auf der kombinierten Erzeugung von Strom und Wärme in KWK-Systemen im kleinskaligen Bereich (Nutzwärme um 100 Kilowatt thermisch). Energie aus Biomasse soll in der Umgestaltung des Energiesystems eine ausgleichende Rolle spielen und verschiedene Sektoren wie Strom-, Wärme, Mobilität miteinander verknüpfen.

Bioenergie
Bei EnArgus, dem zentralen Informationssystem zur Energieforschungsförderung, befindet sich unter anderem eine Datenbank mit sämtlichen Energieforschungsprojekten – darunter auch dieses Projekt.