Windenergie
Gemeinsam an einem (Antriebs-) Strang
Eine „gläserne“ Windenergieanlagen-Gondel mit rund 300 eingebauten Sensoren stand beim Forschungsprojekt „FVA-Gondel“ im Fokus von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der RWTH Aachen. Gemeinsam mit Industrievertretern der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e. V. (FVA) und der Siemens AG haben sie daran geforscht, wie der Antriebsstrang einer Windenergieanlage so optimiert werden kann, dass die Anlage zuverlässiger läuft und damit mehr Strom bei geringeren Servicekosten erzeugt.
In den ersten Monaten des Forschungsprojekts war im Center for Wind Power Drives (CWD) der RWTH Aachen eine Forschungsgondel aus Komponenten diverser Anbieter gebaut worden. „Das war ausgesprochen spannend“, erinnert sich Projektkoordinator Prof. Dr.-Ing. Georg Jacobs rückblickend bei der Abschlussveranstaltung des Forschungsvorhabens im Mai 2019. Durch die gemeinschaftlich konzipierte Gondel konnten mittelständische Komponentenlieferanten an dem Forschungsprojekt teilnehmen. Zudem blieben durch die Eigenkonstruktion Unternehmensgeheimnisse einzelner FVA-Mitgliedsfirmen gewahrt. Bei der Montage integrierten die Experten 300 Sensoren, die in den nächsten Wochen und Monaten jede Menge Informationen aus den Komponenten lieferten. „Am Ende haben wir rund 3,5 Terabyte Messdaten eingefahren“, berichtet Georg Jacobs stolz, die ausgewertet wurden beziehungsweise werden.
Testbetrieb auf dem Gondelprüfstand im Center for Wind Power Drives in Aachen
Getestet wurde die Forschungsgondel nicht in luftiger Höhe auf dem freien Feld, sondern auf dem 4-Megawatt-Systemprüfstand am CWD in Aachen, welcher für das Forschungsvorhaben umfangreich erweitert wurde. In der großen Versuchshalle auf dem Aachener Campus Melaten können reale Windbedingungen simuliert werden – inklusive Turbulenzen und Sturmstärken. Bei den Tests kamen Lager, Getriebe sowie der Generator an ihre Belastungsgrenzen. Durch den Netzsimulator war es zudem möglich, Spannungseinbrüche zu erzeugen und deren Auswirkung auf die Forschungsgondel zu untersuchen.
Die Messergebnisse aus den Versuchsreihen helfen nicht nur, einzelne Bauteile zu optimieren. Sie lassen auch Rückschlüsse auf Getriebe- oder Leistungselektronikmodelle zu. Mit Hilfe dieses „Digital Twins“ können Fachleute angedachte konstruktive Veränderungen an der Gondel beurteilen, ohne dass diese in die Realität umgesetzt werden müssen.
Folgeprojekte sind bereits angelaufen
Auch wenn das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit rund 4,4 Millionen Euro geförderte Forschungsprojekt abgeschlossen ist: Die FVA-Gondel wird weiter künstlich erzeugten Stürmen trotzen müssen. Mehrere Folgeprojekte sind bereits angelaufen. Im Forschungsvorhaben CertBench etwa werden verschiedene elektrische Fehlersituationen (FRT-Tests) auf verschiedenen Prüfständen verglichen und bewertet. Damit soll erreicht werden, dass aufwändige und teure Feldtests durch Labortests an Prüfständen wie am CWD ersetzt werden können. Im Projekt Pronowis wird durch die Entwicklung sensorgestützter Verfahren die Betriebsführung von Windenergieanlagen mit dem Ziel optimiert, das Risiko und die Anzahl White Etching Cracks (WEC)-bedingter Ausfälle zu verringern und dadurch die Anlagenverfügbarkeit zu steigern.