Windenergie
Forschungsprojekte schaffen Platz für zusätzliche Windenergie
Die Bundesregierung hat beschlossen, den Schutzradius um Flugsicherungsanlagen von 15 auf 7 Kilometer zu verkleinern. Möglich wurde dies durch Erkenntnisse aus den Forschungsprojekten WERAN und WERAN plus.
Drehfunkfeuer senden Funksignale aus, an denen sich Flugzeuge orientieren. Bisher galt hier ein Anlagenschutzbereich von 15 Kilometern, in dem Bauanträge für neue Windenergieanlagen geprüft werden mussten. Auf Basis der Erkenntnisse aus den beiden WERAN-Forschungsarbeiten erfolgt nun die Abkehr von dieser Praxis. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben unter der Leitung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) unter anderem eine präzise Vorhersagemethode entwickelt, um die Auswirkung verschiedener Hindernisse auf die Funksignale vorherzusagen. Das handfeste Ergebnis: Die Funksignale werden auch bei einem auf 7 Kilometer verkürzten Abstand zu neu errichteten Windparks sicher an den Flugverkehr weitergegeben.
Neue Flächen für rund 5 Gigawatt zusätzlicher Windleistung
Diese Erkenntnisse hat die Bundesregierung nun als Grundlage für ein neues Maßnahmenpaket genutzt. Bereits im April 2022 hatten sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) darauf verständigt, auf Basis der gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse die Schutzbereiche von Flugsicherungsanlagen zu überprüfen. Dies ist zwischenzeitlich geschehen. Seit dem 1. August 2022 hat die Deutsche Flugsicherung nun konkret die Möglichkeit, die Anlagenschutzbereiche der Doppler-Drehfunkfeuer (DVOR) neu zu bewerten und festzulegen, ob diese auf den von der PTB vorgeschlagenen Radius von 7 Kilometern verkleinert werden können. Bei neuen Bauvorhaben für Windenergieanlagen müssen künftig Flugsicherungsaspekte nur in diesem Radius berücksichtigt werden.
Die zusätzlichen Flächen schaffen somit zusammen kurzfristig ein Potenzial für rund 5 Gigawatt neuer Windenergieleistung. Derzeit blockierte Bauprojekte können abgeschlossen werden. „Das ist ein wichtiger Push für den Ausbau der Windenergie an Land", ordnet Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck den Nutzen der Ergebnisse ein. „Wir erschließen durch moderne und kluge Regeln mehr Flächen für den Ausbau von Wind an Land. Das ist heute wichtiger denn je. Wir müssen mit ganzer Kraft den Erneuerbaren Ausbau voranbringen, um uns so schnell wie möglich aus der Klammer russischer Importe zu befreien.“
Jahrelange Forschung ermöglicht präzise Prognosen
Innerhalb der beiden vom BMWK geförderten Forschungsprojekte WERAN und WERAN plus haben die Verbundpartner seit 2013 die Wechselwirkung von Windenergieanlagen und Drehfunkfeuern systematisch betrachtet und validiert. Ein Schwerpunkt bestand etwa darin, die Signale im Luftraum mit geeigneter Vor-Ort-Messtechnik zu erfassen. Die Simulation der Funksignale und ihrer Wechselwirkungen war ein weiteres Schwerpunktthema. Dabei stimmten Vor-Ort-Messungen und Simulationen gut überein, was das Vertrauen in die Ergebnisse erhöht.
Zuletzt haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Prognoseverfahren entwickelt, mit dem sie die Wechselwirkung der Drehfunkfeuer mit neuen Windenergieanlagen präzise voraussagen können. Auch andere sogenannte Störer, wie etwa Gebäude, Bäume, Hochspannungsleitungen oder bestehende Windenergieanlagen können identifiziert und deren Störpotenzial ermittelt werden.
WERAN-plus-Wissenschaftsteam entwickelte eine „Clutter-Map“
Daraus erstellten die Verbundpartner eine Clutter-Map: eine Karte, in die das Team neue Bauprojekte, wie etwa Windenergieanlagen, einfügen und das Zusammenspiel aller Bestandteile interpretieren kann. „Durch den Erkenntnisgewinn der beiden Projekte lässt sich jetzt sehr viel genauer die Auswirkung von Hindernissen auf die Signale von Drehfunkfeuern im Raum beschreiben“, erklärt Direktor und Professor Dr. Thorsten Schrader von der PTB. Außerdem werde die Sicherheit des Flugbetriebs erhöht, weil jetzt alle Hindernisse durch die Clutter-Map berücksichtigt würden. Für ihn sei immer maßgeblich gewesen zu zeigen, dass der Windenergieausbau im Umfeld von Drehfunkfeuern auch ohne Einschränkungen der Flugsicherheit möglich ist. (mb/it)